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Wissenschaftler entdecken noch nie dagewesene Gehirnwellen, nachdem sie die Gedanken von Tintenfischen analysiert haben
Durchbruch in der Cephalopoden-Neurowissenschaft: Erste Aufzeichnungen der Hirnaktivität bei sich frei bewegenden Oktopussen
Image, K. Mitch Hodge, Unsplash
Durchbruch in der Cephalopoden-Neurowissenschaft: Erste Aufzeichnungen der Hirnaktivität bei sich frei bewegenden Oktopussen
In einer bahnbrechenden Studie, die in Current Biology veröffentlicht wurde, ist es Forschern erstmals gelungen, die elektrische Aktivität im Gehirn von nicht fixierten, sich frei bewegenden Oktopussen aufzuzeichnen. Diese Errungenschaft eröffnet neue Wege zum Verständnis der neuronalen Grundlagen komplexer Verhaltensweisen bei diesen bemerkenswerten Wirbellosen.
Oktopusse sind für ihre Intelligenz und Problemlösungsfähigkeiten bekannt, aber die Untersuchung ihrer Hirnaktivität war aufgrund ihrer weichen Körper und der Tendenz, alle an ihnen befestigten Fremdkörper zu entfernen, eine Herausforderung. Das Forscherteam unter der Leitung von Tamar Gutnick vom Okinawa Institute of Science and Technology überwand diese Hindernisse durch die Entwicklung einer innovativen Technik zur Implantation von Elektroden und eines tragbaren Datenloggers im Körper des Oktopus.
„Dies ist ein entscheidender Schritt zum Verständnis, wie das Oktopusgehirn das Verhalten steuert“, sagt Gutnick. „Bisher mussten wir uns hauptsächlich auf Verhaltensbeobachtungen und post-mortem Studien verlassen. Diese neue Methode ermöglicht es uns, die Hirnaktivität direkt mit dem Verhalten in Echtzeit zu korrelieren.“
Die Forscher zielten auf den vertikalen Lobus (VL) und den medianen superioren frontalen Lobus (MSF) des Oktopusgehirns ab, Bereiche, die mit Lernen und Gedächtnis in Verbindung gebracht werden. Sie verwendeten einen modifizierten Datenlogger, der ursprünglich für die Aufzeichnung von Hirnaktivität bei freifliegenden Vögeln entwickelt wurde, und passten ihn für den Einsatz in einer marinen Umgebung an.
Zu den wichtigsten Ergebnissen der Studie gehören:
1. Erfolgreiche Implantation von Elektroden und Datenloggern in drei Octopus cyanea-Exemplaren.
2. Aufzeichnungen der Hirnaktivität für bis zu 12 Stunden bei sich frei bewegenden Oktopussen.
3. Identifizierung von unterschiedlichen Aktivitätsmustern, einschließlich großer Amplitudenoszillationen bei 2 Hz, die bei anderen Tieren nicht beobachtet wurden.
4. Synchronisation der neuronalen Aufzeichnungen mit hochauflösenden Videoaufnahmen des Oktopusverhaltens.
Die Implikationen dieser Forschung gehen über die Neurowissenschaft der Kopffüßer hinaus. Indem sie Einblicke in die Entwicklung eines komplexen Nervensystems, das sich unabhängig von Wirbeltieren entwickelt hat, liefert, könnte sie Licht auf grundlegende Prinzipien der Hirnfunktion und Kognition werfen.
„Diese Methode kann angepasst werden, um verschiedene Aspekte der Oktopus-Kognition zu untersuchen, vom Lernen und Gedächtnis bis hin zur Entscheidungsfindung und zum Sozialverhalten“, erklärt Co-Autor Andreas Neef von der Universität Göttingen. „Sie könnte uns auch helfen zu verstehen, wie unterschiedliche Hirnorganisationen ähnliche kognitive Ergebnisse produzieren können.“
Die Forscher betonen, dass dies erst der Anfang ist. Zukünftige Studien könnten diese Technik nutzen, um spezifische Lernaufgaben, Schlafmuster und sogar die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf die Hirnfunktion von Oktopussen zu untersuchen.
Während wir weiterhin die Geheimnisse des Oktopusgehirns entschlüsseln, könnten wir neue Erkenntnisse nicht nur über diese faszinierenden Kreaturen, sondern auch über die Natur der Intelligenz selbst gewinnen. Diese Forschung erinnert uns daran, dass es in den Neurowissenschaften noch viele unerforschte Grenzen gibt und dass einige der aufregendsten Entdeckungen aus den unerwartetsten Orten kommen können – wie dem Geist eines Oktopus.
Gutnick et al., 2023, Current Biology 33, 1171–1178
March 27, 2023 ª 2023 Elsevier Inc.
https://doi.org/10.1016/j.cub.2023.02.006